Aica's letztes Jahr und wie es dazu kam

Wir wohnten längst wieder in Heddesheim, ohne Mann, ohne eigenes Haus und ohne Garten, aber glücklich. Drei im Einklag: Aica, Sammy und ich.

Sammy  war immer eine wilde Stromerin, eine erstklassige Jägerin - brachte von der kleinsten Maus, und einem Maulwurf (der ihr zum Glück unverletzt im Haus entwischen konnte), über Buntspechte und Fasane alle erdenklichen Beutetiere mit, die sie nur irgendwie tragen konnte. Häufig ließ sie sich drei Tage nicht blicken, ich machte mir immer Sorgen, doch irgendwann kam sie immer heim. Manches Mal sah sie fürchterlich aus und schien heftige Kämpfe hinter sich zu haben. Sie ließ sich dann pflegen und verwöhnen und bewegte sich eine Weile nicht weit von Zuhause weg. Doch früher oder später zog es sie wieder hinaus ins wilde Leben. Sie war ein Wildfang und sie einzusperren, hätte mir trotz aller Sorgen, das Herz gebrochen.

Am Abend eines kalten Novembertages 1997 schleppte sie sich mit letzter Kraft nach Hause. Sie wurde von einem Auto erfasst und hatte schwerste Verletzungen. Bei all den Machtkämpfen, die wir miteinander ausgetragen hatten, hätte ich nie geglaubt, daß es mich so schmerzen würde, sie zu verlieren. Sie ließ sich nur noch von mir anfassen und die kleine Wilde kämpfte wie ein großer Löwe. Wir rasten mit ihr zum Tierarzt der, sobald ich meine Hand aus dem Korb, in den wir sie gelegt hatten, zurückzog, tiefe Kratzer und Bisse einstecken mußte. Sein Blick sprach Bände! Sammy mit drei Beinen und ohne Schwanz? Ein Bein zu verlieren, das wäre noch möglich gewesen, ich hätte ihr zugetraut damit zurecht zu kommen. Doch es war so viel mehr und der Arzt konnte nicht mehr helfen, sondern sie nur noch erlösen. Sammy, war aber doch erst drei Jahre, sie wollte nicht aufgeben und noch nie, so sagte mir der Tierarzt, hätte er ein Tier so kämpfen sehen. Es hat fast zwei Stunden gedauert, bis der Arzt das erlösende Narkotikum spritzen konnte. Es war furchtbar! Und schon damals war mir klar, wir schlimm es erst werden würde, wenn ich mich eines Tages von Aica verabschieden müßte.

Ich gebe zu, meine Bindung zu Aica war mit nichts zu vergleichen. Wir beide waren einfach für einander bestimmt. Mag sein, daß mancher daran zweifelt oder belächelt, aber mich mit ihr zu verständigen, dazu reichte Blickkontakt aus.

Auch Aica hatte  lange um Sammy getrauert und tagelang nicht gefressen.

Nun waren wir nur noch zu zweit.

Als Aica 8 Jahre alt war, gingen wir zur Routineuntersuchung zum Tierarzt. Aica war das blühende Leben, kein bißchen grau um die Schnauze und nach wie vor eine schöne, stolze Boxerdame.

Der Tierarzt schaute sie sich an und irgendwann blickte er zu mir auf und sagte etwas von Tumor. Mir wurde schlecht und die Panik kroch in mir hoch. Es handelte sich um einen kleinen Tumor am Bauch, direkt unter der Haut. Er riet mir, es gleich operieren zu lassen, man könne nie wissen, ob und wie schnell es sich ausbreiten und vergrößern würde, falls es bösartig sei. Ich nickte, wir vereinbarten einen Termin für den übernächsten Tag und ich schluckte ohne den dicken Kloß in meiner Kehle los zu werden.

Wir fuhren nach Hause , ich rief Gott und die Welt an, heulend und voller Angst. Eigentlich war ja noch nichts Schlimmes passiert - ein kleiner Tumor, was ja noch nichts hieß - doch das ungute Gefühl in mir wollte sich durch nichts und niemanden und durch kein noch so gutes Zureden von anderen, vertreiben lassen.

Der Tag der OP war gekommen. Schweren Herzens und als hätte ich Blei verschluckt fuhren wir zur Praxis. Weiß der Teufel warum, ich wurde das Gefühl nicht los, ich würde meine Aica zur Schlachtbank führen.

Nach Hause ohne meinen Liebling, das war nicht drin, also fuhr ich mit Susie, meiner Tante nach Viernheim und wir saßen in einem Schnellimbiss und warteten. Die Zeit schien zu kriechen. Das schlechte Gefühl im Bauch war noch immer da und ich bat Susie zurück zur Praxis zu fahren. Wir warteten dort noch eine Weile und endlich durfte ich zu Aica.

Ich betrat das Zimmer, in dem sie lag, sah sie und wußte, daß etwas nicht stimmte. Ich kniete mich neben sie, herzte und drückte sie. Sie kam nur langsam zu sich, was ich schon als sehr ungewöhnlich fand, bei den Narkosen heutzutage. Ich fragte bei der Tierarzthelferin nach. Sie versicherte mir, allerdings stand ihr die Verlegenheit ins Gesicht geschrieben (!!!), das sei normal.

Wir fuhren heim. Gegen Abend erst ging es Aica etwas besser. Aber die darauf folgende Nacht, war die Hölle! Wir haben beide kein Auge zugemacht. Aica's Leib blähte sich fürchterlich auf. Sie konnte sich kaum noch rühren, erbrach sich immer wieder. Was sollte ich tun! Nachts noch fuhr ich wieder mit Ihr zum Tierarzt, zum Glück (oder auch nicht!) hatte genau diese Praxis Notdienst. Der Tierarzt selbst war nicht da, sondern seine Assistentin, die Aica mehrmals röntge und zu keinem Ergebnis kam. Ich solle heim gehen und am nächsten Morgen wieder kommen, es könne nichts Schlimmes passieren.

Sehr beruhigend!

Am nächsten Morgen erklärte mir der Tierarzt Aica's Leber hätte sich, aus ihm unerklärlichen Gründen, vergrößert. Um es genau zu sagen: Um das 8-fache an Volumen zugenommen. Er könne allerdings auf den Röntgenbildern nicht viel erkennen. Es könne eine tumoröse Leber sein, diese Diagnose würde er jedoch erst bestätigen können, wenn er nochmal öffne. Ich hatte keine Wahl, wich aber keinen Schritt aus der Praxis, während Aica auf dem OP-Tisch lag. Meine Schwester Tanja, die mal bei diesem Tierarzt gearbeitet hatte, hat ihm assistiert und das beruhigte mich wenigstens ein bißchen. Sie würde schon achtgeben, daß alles gut lief, dessen war ich mir sicher.

Hätte sie doch nur bei der ersten OP auch dabei sein können!

Die Leber war nicht tumorös! Eine wirkliche Diagnose erhielt ich von diesem Tierarzt nie und er wußte genau weshalb! Aica war nicht mehr die Selbe! Sie war krank! Sie erbrach sich oft, ihr Immunsystem war stark angeschlagen und dadurch hatte sie ständig schlimme Darmentzündungen und Durchfälle. Hinzu kamen leichte, aber immer wiederkehrende epileptische Anfälle, bei denen sie die Orientierung verlor.

Ich entschloß mich, den für mich besten Tierarzt um Rat zu fragen. Einen sehr bekannten Tierarzt in Lörrach. Leider ist das sehr weit entfernt und Aica's Zustand ließ es nicht zu, eine so lange Strecke zu fahren. Ich telefonierte lange mit ihm und natürlich konnte er keine Ferndiagnose stellen. Aber er vermutete, was sich später bestätigte, einen sogenannten Narkoseschock. Er vereinbarte für mich einen Termin bei einem hier ansässigen Kollegen, dem er erklärte wie es um Aica stand und was er vermutete.

Wir fuhren nach Mannheim, in eine sehr große Praxis, mußten trotz eines überfüllten Wartezimmers keine Minute warten und wurden vom Chef selbst empfangen. Er  sah sich Aica sehr genau an, nahm  Blut-, Urin- und Stuhlproben und wenige Tage später bestätigte er die Vermutung des Lörracher Kollegen.

Was das heißt?

 

Während diesem relativ kleinen Eingriff, bei dem der kleine Tumor am Bauch entfernt wurde, wurden Aica's Vitalwerte unter der Narkose nicht überwacht, weil der Tierarzt alleine operierte. Man kann nun mal nicht gleichzeitig eine Narkose überwachen und im Bauch schnippeln. Dabei war Aica kurz- oder längerfristig nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt! Ihr damaliger Zustand waren die Folgen!

 

Einem Humanmediziner kann man mit viel Glück einen Kunstfehler nachweisen. Hier sah die Sache anders aus! Mal abgesehen davon, was mir dieser Tierarzt für seine beiden Operationen und die unnütze Arbeit seiner Assistentin während des Notdienstes in Rechnung stellte  ( es lag im vierstelligen Bereich! ), es hätte nichts mehr geändert!

Mit viel Liebe, weitgehenst homöophatischen Mitteln und der Hilfe des Mannheimer Tierarztes habe ich versucht Aica's Zustand so stabil wie möglich zu halten. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Es gab Tage, da war sie beinahe die Alte. Ein Jahr lang, hatten wir noch viel Freude und so manch schönen, beinahe sorglosen Tag.

Für andere war sie nun keine Schönheit mehr. Wie oft mußte ich mir anhören "Die ist aber dick geworden"!  Aica war nicht dick, sie war voller Ödeme und jeder Tag an dem dieses kranke Boxerle mit Appetit an sein Futter ging, war ein Segen für mich. Leider bekam ich das mit den Wasseransammlungen immer weniger in den Griff, doch wollte ich durch Entwässerungstabletten, nicht auch noch ihre Nieren mehr als nötig belasten. Ihr Herz hatte immer schwerer zu arbeiten.

Für mich war sie dennoch der schönste Boxer der Welt!

 

Mein herzlicher Dank, daß ich unter diesen Umständen noch so viel kostbare Zeit mit Aica verbringen konnte, gilt dem Tierarzt aus Lörrach. Er rief mich ohne zu zögern zurück, führte ein langes Telefongespräch auf seine Kosten mit mir, ohne mir dafür auch nur einen Pfennig in Rechnung zu stellen. Er hat uns sehr geholfen, stand mir stets mit seinem Rat zur Seite, gab' mir viele Tipps und sein Interesse war aufrichtig, denn er wollte stets wissen, wie es mit Aica stand.

Danke auch dem MannheimerTierarzt und seinem immer freundlichen und geduldigen Praxis-Team.

 

 

Datenschutzerklärung
Kostenlose Webseite erstellen bei Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!